Mit der Straffung erschlaffter Substanz an der Oberfläche signalisieren Werte nicht selten eine Regenerationsfähigkeit, die Illusion ist. Wie alle Drogen wecken sie ein Verlangen nach Konsumsteigerung. Wie bei vielen Drogen, die anhaltend missbräuchlich konsumiert werden, droht am Ende der Entzug oder Schlimmeres. An erster Stelle der Werteprosa, die reife Unternehmen unisono von sich geben, stehen Authentizität und Innovation.
In jungen Märkten wirken Werte als Treiber um Intentionen zu verfolgen und Visionen zu entwerfen. Das Szenario von Vision, Mission und Strategie umreißt den Pfad von der Idee bis zu ihrer Übersetzung und Umsetzung in die Unternehmenswirklichkeit hinein. Das Trio bildet den Start Up Charakter eines jungen Unternehmens ab, das gerade dabei ist sich auf dem Markt zu etablieren. Wenn dagegen ein altgediegenes Unternehmen Vision, Mission und Strategie beschwört, mit einer engagierten Beratungsshow den Change propagiert und dabei intern verzweifelt für flache Hierarchien wirbt, wirkt das schnell peinlich – allemal in einem Stadium, in dem es bereits nichtmehr um die Ausgründung von Tochtergesellschaften geht, sondern längst die zweite Enkelgeneration am Zug sein könnte. Junge, noch aufstrebende Unternehmen agieren begeistert, sind, in sich, motiviert und überzeugen. Ahnen wir es? Dass die Rede von Werten eng mit dieser Dynamik von Unternehmen korrespondiert, die von der gesamten Kommunikation über das Prozessdesign bis zu den großen Zyklen reicht?
Ist es deshalb auch kein Zufall, dass der ökonomische Superwert Innovation von den reifen Unternehmen so gerne zitiert wird, obwohl die Kräfte, die sich beharrlich gegen Neues sträuben, nirgends größer sind, als bei ihnen? Oder schreiben sie Innovation gerade deshalb so groß, weil das Alte und das Neue in einem beständigen Ringen zwischen Risiko und Chance, zwischen Sicherheit und Unsicherheit, eines ohne das andere nicht besteht? Ist der uralte Widerspruch zwischen erstarrter Furcht und überstürzter Tollkühnheit von einem Mittleren, dem Mut zur Veränderung, aufzulösen, wie Aristoteles annahm?
Oder funktionieren auch die sogenannten weichen Werte, wie die harten, nach dem Prinzip der Knappheit? Ist etwas gerade deshalb mehr Wert, weil ich es nicht haben kann?
Bedeutet authentisches Führen dann nicht vor allem die Fähigkeit sich solchen Widersprüchen zu stellen? Und bedeutet es dann nicht, die Dynamik dieser Widersprüche der Werte, wohldosiert freizusetzen und zur Steuerung zu nutzen?
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