Die Jagd nach Neuem

Vielen gilt Unternehmenskultur als die Konstante von Firmen schlechthin. Sie gibt vor, wie ein Unternehmen tickt. Wer allerdings das Verhältnis von Kultur und Innovation nicht als natürliche Feindschaft begreift, packt beide Faktoren gerne in das scheinbar griffige Paket Innovationskultur.
Im selben Atem wird dann auch Fehlerkultur genannt. Im besten Fall sind das Berater, die innere Spannungen erkennen, aushalten und bearbeiten. Im schlechtesten Fall ist ihnen der fundamentale Widerspruch gar nicht bewusst. Worauf wäre bei der Jagd nach Neuem zu achten, damit sie nicht im Sand endet und das kulturelle Getriebe zerstört?

Im Sinn von Armen Avanassians wichtigen Essay, mit dem sprechenden Titel: Konflikt: Von der Dringlichkeit, die Probleme von morgen schon heute zu lösen, wäre nachzusehen, ob dieser Punkt nicht etwa „produktiv“ zu machen sei. Es wäre demnach das Potential, zu entfalten das in dem ewigen Konflikt zwischen Neuem und Altem schlummert.

Was passiert, wenn Berater das Brainstorming aus dem Workshop als allgemeine Norm für das Tagesgeschäft verkaufen? Was passiert, wenn dieselben Berater, gewissermaßen innovationskulturell, den permanenten Umbruch im Unternehmen selbst predigen? Übersehen sie dann nicht nur zu leicht, dass Innovation kein reiner Selbstzweck ist? Übersehen sie nicht den Kontext mit seinen ökonomischen, sozialen und ökologischen Hindernissen? Die gute ökonomische Praxis würde eine ausgewogene Korrelation zwischen Zwecken und Mitteln herstellen. Ähnlich wie die beiden Aspekte von Anspruch und Wirklichkeit, die sich nie 1:1 decken, aber in ein optimales Verhältnis gesetzt, die Belegschaften anspornen ihre Ziele zügig zu erreichen.   

Armen Avanessian, Konflikt, Von der Dringlichkeit, Probleme von morgen schon heute zu lösen, Ullstein 2022
Ich rate zum Querlesen und dabei das Augenmerk auf das hintere Drittel zu legen.