In der Zeitschrift SGI Quaterly Nr. 47, von Januar 2007, The Possibilities of Dialog, S.9f; http://www.sgi.org/content/files/resources/sgi-quarterly-magazine/0701_47.pdf fand ich einen Artikel über Talanoa. Das Interview mit Dr. Sitiveni Halapua, dem Direktor des Pacific Islands Develolpment Program at the East-West Center in Hawaii. Der Artikel erschien erstmalig im Onlinemagazin: Matangi Tonga Online. Laut Halapua geht es in einem Talanoa-Prozess nicht darum das westliche Konzept des Kompromisses durchzusetzen. Talanoa ziele vielmehr auf eine Haltung der Gesprächspartner die wechselseitiges Vertrauen und Respekt zum Vorschein bringe. Der Talanoa-Kommunikationsprozess stellt, wenn er gelingt, eine Verständigung über die gemeinsame Basis der Gesprächsteilnehmer her.
Ist Talanoa mehr als Geschichtenerzählen?
Die Form der moderierten Zusammenkunft besteht darin, dass wohl ein Thema besteht, jedoch keine feste Agenda. Die TeilnehmerInnen erhalten die Gelegenheit eine Geschichte zu erzählen. Die Moderatorin oder der Moderator gibt, im Anschluss daran, den Inhalt dieser Geschichte wieder und fragt die Erzählerin oder den Erzähler ob diese Wiedergabe korrekt ist. Wenn ja, ist das so in Ordnung und die nächste Geschichte kann erzählt werden. Wenn die Wiedergabe der Geschichte nicht korrekt war, wird das solange geklärt, bis die Erzählerin bzw. der Erzähler der Geschichte sich, in der Wiedergabe, korrekt wiedergegeben sehen. Erst danach folgt die nächste Teilnehmerin oder der nächste Teilnehmer mit ihrer bzw. seiner Geschichte, wiederum gefolgt von einer Feedbackrunde von Seiten der Moderation in Talanoa-Qualität. Am Ende des Tages werden die verschieden Perspektiven der unterschiedlichen Geschichten gemeinsam besprochen. Die Rolle dieser idealen Zuhörerin bzw. des idealen Zuhörers, vor versammelter Zeugenschaft, ist zentral für Talanoa.
Dies Fehlen der festen Tagesordnung mag westliche Teilnehmer beunruhigen, ist jedoch aus selbstorganisierten Kommunikationsformen, wie Open Space Konferenzen, in die westliche Kultur eingedrungen und wird inzwischen hochgeschätzt.
Talanoa ist eine Gesprächsform die Nazhat Shameem, die fidschianische Chefverhandlerin und Gesprächsleiterin der UN-Klimakonferenz, mit zum UN-Klimasekretariat nach Bonn bringt. Shameem hat nicht nur die Aufgabe, einen Umsetzungsprozess für die Ziele, die in der Pariser Klimakonferenz vereinbart wurden, zu fördern. Sie ist auch die Botschafterin der Länder, die nicht zu den Verursachern des Klimawandels zählen sondern zu den am stärksten Betroffenen. Der Anstieg des Meeresspiegels bedroht Fidji existentiell. Dieser Konflikt zwischen Schuldigen und Opfern ist einer der Grundwidersprüche der globalen Klimakrise.
Der Erfahrungsschatz im Gepäck
Mit Talanoa bringt Nazhat Shameem nicht irgendeine traditionelle, im Pazifikraum verbreitete, Form des Geschichtenerzählens mit nach Bonn. Talanoa ist eine bewährte Methode zur Konfliktbewältigung. Sie spielte eine zentrale Rolle für den gesellschaftlichen und politischen Einigungsprozess des Landes.
Am 19. Mai 2000 führte ein gravierendes postkoloniales Konfliktgemenge zum Umsturz in Fidji. Es folgte ein zweijähriger, außerparlamentarischer, Talanoa-Prozess, von Nov. 2000 bis Juli 2002. Sitiveni Halapua moderierte ihn und übernahm dabei die Rolle des idealen Zuhörers. Er identifizierte die Schlüsselthemen für die Einigung des Inselstaates. Er flankierte damit den formalen parlamentarischen Prozess, gesellschaftlich, von außen. Talanoa bewährte sich vor allem darin, die Konfliktparteien dazu zu bringen, einander zuzuhören. Diese spezifische Form der Kommunikation half, substanziell, die verworrene gesellschaftliche Lage zu klären.
Talanoa ist demnach ein kommunikativer Methoden- und Erfahrungsschatz, den Nazhat Shameem, zur UN-Klimakonferenz beiträgt.
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